Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde,
ich freue mich, dass ich hier heute Abend in diese Ausstellung in der Kulturhalle einführen darf, die den spannenden Titel „Update now“ trägt.
Denn dieser Titel kann durchaus, so meine ich, mehrdeutig, mit einer Prise Ironie gedeutet werden. Denkt man doch sofort an postmoderne Zeiten, an virtuelle Welten, eben an globale Netzwerke des www.
Und vielleicht auch an Marshall McLuhans hellsichtige Voraussage aus den 60er-Jahren. Bereits damals sah der Medientheoretiker voraus, dass sich die Welt zum Dorf entwickeln wird.
Dieses Dorf funktioniert freilich vor allem auf Englisch, - und aus dieser Sprache, das wissen Sie, stammt denn auch der Begriff „Update“. Er meint Aktualisierung „auf den neuesten Stand bringen“ und bezieht sich im Allgemeinen auf ein Produkt oder eine bestimmte Sache. Ein Update ist dabei, so sagt das Lexikon, nie eigenständig, d.h. es ist ohne eine bereits bestehende Basisversion nutzlos.
Die meisten von uns denken nun wahrscheinlich an Computerprogramme und das Aufladen neuer Software-Versionen. „Upgedated“ werden aber auch Kalender oder der Statusbericht in einer Arbeitsgruppe. Sie sehen, es ist ein Begriff des Geschäftslebens, mit Kunst allerdings, nicht einmal mit Videokunst, wird er zunächst kaum in Verbindung gebracht.
Kann man also in der Kunst updaten?
Und wie sieht dann die Basisversion aus? Ist dies die Kunstgeschichte oder allein die Vorgeschichte, die vorausgegangenen Arbeiten der jeweiligen Künstlerin?
Mit all diesem wird freilich in dieser Schau gespielt, zunächst einmal auf der groben Oberfläche, dann im Detail, in dem es auch darum geht, uns, die Betrachter, auf den neuesten Stand der jeweiligen Kunstdinge zu bringen.
Es geht um aktuelle Positionen und neue Perspektiven der Welt. Und dass die Welt hier ganz individuell und anders betrachtet wird, zeigt schon die Tatsache, dass ein geflügeltes Wort aus dem Geschäftsleben in fremder Umgebung angewandt wird.
Dialoge führt die Fotografin Line Mocké. Sie inszeniert sich in ihren Abbildungen selbst, ganz intim und persönlich. Es ist einerseits ähnlich wie bei Cindy Sherman, ein Versuch aus der eigenen in eine andere Haut zu schlüpfen und mehr als nur in den Mokassins des, der Anderen zu laufen wie Indianer das fordern, um zu verstehen. Andererseits ist es auch ein Weg sich selbst als Mensch, als Individuum, als Frau im Allgemeinen, wie im Besonderen zu entdecken. Wie fühlt sich kokette Naivität an, wie sieht sie aus? Was macht Frechheit und Zügellosigkeit aus oder kühle, duldsame Verschlossenheit.
Line Mockè arbeitet ebenfalls in Serien, und was Sie dort an der Wand sehen ist eine Zusammenschau verschiedener Reihen, die je nach der Farbkonstellation, Blaue, Weiße oder Gelbe Serie benannt ist. Spannend ist freilich als Betrachter anhand der Farben zu assoziieren, über welches Kolorit Line Mocké in welche Haut geschlüpft ist. Nehmen wir das dunkle Schwarzblau. Wie verändert es den Träger? Schüchtert es ein, wird man unterwürfiger? Der Gesichtsausdruck spricht Bände. Der Blick kommt von untern, eine vorgeschobene Lippe verrät Verletztheit. Mocké erzählt hier von Bildnissen einstiger Sklavinnen, die angesichts der Thematik des Menschenhandels an Aktualität nichts eingebüßt haben. Im Gegensatz zu der Unsicherheit des Schwarzblauen strahlen die Bilder in Rosetönung samt Rosenblatt eher eine Erotisches aus, während der rotschwarze Punklook dank Frisur und archaischen Zeichen auf dem Gesicht zwischen Rebellion und Rückzug schwankt. Das Gelbe wiederum unterstreicht den dienenden Geishalook.
Freilich geht es Line Mocké in ihren Recherchen um Befindlichkeiten, aber auch um unser Bild davon, unsere Sozialisation. Letztlich tangiert dies auch das Bild, dass wir uns selber jeden Tag vor dem Spiegel auferlegen. Denn selbst wenn wir von uns meinen uneitel zu sein, so macht doch jeder mit seiner Erscheinung eine Aussage. Davon abgesehen ist es freilich ein mutig, radikales Unterfangen sich selbst ohne Kompromisse darzustellen, sich quasi als Material zu benutzen. Dabei scheut Line Mocké nicht den Abstieg in den Dreck. In einer Arbeit ist sie über das ganze Gesicht mit Matsch verschmiert, mal nachdenklich blickend, mal grimassierend. Eine Schönheitsmaske? Oder doch Eva, die schmutzig Adam aus dem Paradies trieb?
Diese frontale Konfrontation offeriert uns viele inhaltliche Ebenen. Denn was passiert wenn die Maske fällt? Laut dem neuen Star auf dem Kunstmarkt, der mit Masken und Schichten aller Arten spielt, Jonathan Meese, darf nie die letzte Maske fallen, sonst steht da das Nichts. Das ist freilich eine männliche Sicht der Dinge im Kunstbetrieb.
Mocké indes hat den Mut, die Masken anzunehmen und ihre Befindlichkeiten gleichzeitig bloßzulegen. Weiße Gegensätze kommen uns entgegen, mal angespannt, mal entspannt die Rede ist von der Frau mit Handtuch im Haar, wie es zum Baden, nach dem Haarewaschen oder zur Kosmetik benutzt wird. Mocké lässt uns aber durch die geschlossenen Augen außen vor, ist ganz auf sich gestellt, ganz bei sich. Weiß als Symbol der Reinheit, das Handtuch als Reinigungsassoziation? Wird so das Leiden vieler Frauengenerationen abgewaschen?
Insofern ist es konsequent, dass Mocké auch ganz das Leben einer Künstlerin frontal nachempfunden hat, die viel gelitten hat - körperlich wie seelisch. Einer, die sich in ihren Selbstbildnissen seziert hat bis zum Mark: Ich rede von Frieda Kahlo. Mocké hat sie in einer aufgezogenen Fotografie wie ein Bildnis inszeniert. „Die Taube“ heißt diese Arbeit, so wie Kahlos Liebhaber Diego Rivera sie nannte. Er hat sie, die ein Leben lang unter den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls leiden musste, permanent betrogen. Im Video „Canto y no llores“ (Ich singe und weine nicht) inszeniert Mocké die Situation betrogener Frauen, schneidet sich die Haare ab wie in einem Akt symbolischer Kastration des Geliebten. Hier wird letztlich auch die Stellung der Frau an sich zur Disposition gestellt, gefangen in ihrem Rollenverhalten zwischen Natur und Künstlichkeit und ihr Weg zur Befreiung.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Petra Mostbacher-Dix, Februar 2007
|